Folge 2: Was ist die Gebäude- und Wohnungszählung, Ulrike Timm?
Ulrike Timm ist Teilprojektleiterin für die Gebäude- und Wohnungszählung beim Zensus 2022 im Statistischen Bundesamt. In unserer zweiten Podcast-Folge erklärt sie, was die Gebäude- und Wohnungszählung als Projekt so herausfordernd macht, warum die Vorbereitungen bereits seit Jahren laufen und wer für die Teilnahme an der Gebäude- und Wohnungszählung alles Post bekommt. Hören Sie doch mal rein!
Transkript
Textfassung des Podcasts "Was ist die Gebäude- und Wohnungszählung, Ulrike Timm?"
Hallo und herzlich Willkommen zurück zum Podcast zum Zensus 2022. Wir hatten es in unserer ersten Folge ja bereits angekündigt: Und zwar soll es dieses Mal um einen ganz bestimmten Baustein des Zensus gehen – um die sogenannte Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ).
Grundsätzlich sprechen wir beim Zensus von zwei getrennt zu sehen in Bereichen. Das ist zum einen die klassische Bevölkerungszählung, mit der die statistischen Ämter des Bundes und der Länder unter anderem herausfinden, wie viele Menschen in Deutschland überhaupt leben. Zum anderen ist das eben diese Gebäude- und Wohnungszählung, die zeigt, wo und wie diese Menschen leben.
In dieser Podcast-Folge werden wir uns unter anderem Fragen widmen wie: Was man unter der Gebäude- und Wohnungszählung überhaupt versteht, wer daran teilnehmen muss und wozu das Ganze überhaupt gemacht wird. Dazu haben wir heute die Expertin im Statistischen Bundesamt für die Gebäude- und Wohnungszählung zu Gast. Und zwar ist das die Leiterin des gleichnamigen Teilprojekts, Frau Ulrike Timm. Herzlich willkommen, Frau Timm.
Im Podcast wollen wir auch immer die Menschen hinter dem Zensus 2022 zeigen. Daher zunächst die Frage an Sie: Wie sind Sie denn zum Zensus gekommen, Frau Timm?
Ich bin jetzt mittlerweile schon seit 20 Jahren im Statistischen Bundesamt. Ich bin vom Studium her Soziologin und bin jetzt auch tatsächlich seit bereits 15 Jahren beim Zensus. Ich habe den Zensus 2011 schon mitgemacht, auch im Teilprojekt GWZ damals. Seit 2019 – also seit drei Jahren – bin ich jetzt Referatsleiterin im Zensus und Teilprojektleiterin der GWZ.
Können Sie uns dann zunächst ein paar Sätze dazu sagen, was ihre derzeitige Aufgabe eigentlich ist?
Die GWZ ist ja wie viele Statistiken hier im Statistischen Bundesamt eine dezentrale Statistik. Das heißt, sie wird von den Statistischen Landesämtern durchgeführt. Ein großer Teil meiner Aufgabe besteht darin, die fachliche Abstimmung mit den Statistischen Landesämtern zu koordinieren. Wir haben da auch sehr viel gemeinsame Konzepte erarbeitet. Das muss man sich wirklich so vorstellen, dass wir seit 2017 für die derzeitige GWZ Konzepte erarbeitet haben. Aber auch so etwas wie den Fragebogen zum Beispiel haben wir gemeinsam entwickelt.
Hinzu kommt, dass die GWZ ja wie der gesamte Zensus auch ein großes IT-Projekt ist. Ein Hauptteil meiner Aufgabe ist auch die Koordinierung von diesem IT-Projekt mit einem großen IT-Team im Hintergrund, einem Entwicklerteam, und gleichzeitig die Koordinierung unseres fachlichen Teams hier im Bundesamt.
Weil Sie ja gesagt haben, Sie sind schon seit 20 Jahren im Statistischen Bundesamt: Was würden Sie sagen haben Sie denn aus den Stationen vor dem Zensus für den Zensus mitgenommen?
Vor allen Dingen Erfahrung in primärstatistischen Erhebungen. Ich habe vorher bei der Statistik für Einkommen und Lebensbedingungen gearbeitet. Von da habe ich Kenntnisse über Erhebungsmethoden und auch Erhebungsorganisation mitgebracht. Was jetzt beim Zensus oder eben auch bei der GWZ zwei Besonderheiten sind, dass wir vor allen Dingen auf elektronische Erhebungsverfahren setzen, und dass wir diese enorm großen Datenmengen haben. Das ist ja wirklich von der Datenmenge her die größte Statistik, die wir in der amtlichen Statistik machen. Und da musste ich mich natürlich auch erstmal reinfinden, mit so großen Datenmengen umzugehen.
Sie hatten die Gebäude- und Wohnungszählung schon mehrmals angesprochen. Können Sie uns denn kurz und knapp erklären, worum es bei der Gebäude- und Wohnungszählung eigentlich geht? Beim Zensus insgesamt geht es ja darum, wie viele Menschen in Deutschland leben. Und die GWZ ist praktisch das Gegenstück: die guckt, in welchen Gebäuden und Wohnungen wohnen diese Menschen? Insofern ist auch wichtig: Wenn man Gebäude und Wohnungszählung hört – es geht wirklich nur um Gebäude mit Wohnraum. Es geht jetzt nicht um das Bürogebäude zum Beispiel, sondern ein Gebäude, in denen Wohnungen sind, in denen die Bevölkerung in Deutschland lebt.
Und wer muss bei der Gebäude- und Wohnungszählung Auskunft geben?
Alle Privatpersonen und Unternehmen, die Eigentümer oder auch Verwalter von Wohnraum sind. Das können ganz große Wohnungsunternehmen sein. Wir haben ja Wohnungsunternehmen, die haben über eine halbe Million Wohnungen. Und auch jede und jeder einzelne Eigentümerin oder Eigentümer, mit einem Einfamilienhaus oder einer Eigentumswohnung ist auskunftspflichtig.
Was ich jetzt schon mitbekommen habe, ist die Komplexität dieses Projektes. Können Sie uns die Herausforderungen der Gebäude- und Wohnungszählung nochmal ein bisschen erläutern?
Die entscheidende Herausforderung besteht denke ich darin, dass wir in Deutschland – anders als bei Personen, wo wir ja Melderegister haben – kein Register über Wohnraum haben. Das gibt es einfach nicht. Und wir haben ja eben schon drüber gesprochen: Wer sind denn die Auskunftspflichtigen? Und da stellt sich natürlich die Frage: Wo kriegt man die dann her? Dazu mussten wir im Zensusvorbereitungsgesetz Verwaltungsdatenquellen praktisch dazu verpflichten, uns Angaben über tatsächliche oder potenzielle Auskunftspflichtige zu übermitteln. Wir sammeln seit 2018 unter anderem aus der Grundsteuer die Namen und Anschriften von Eigentümerinnen und Eigentümern. Das ist natürlich schwierig, weil die Angaben nicht immer sind. Das heißt, die Statistischen Landesämter haben jetzt viele Jahre darauf verwendet, diese Daten nicht nur einzusammeln, sondern auch zu aktualisieren, damit wir nachher unsere Erhebungsunterlagen – also den Brief, den die Leute bekommen – auch an die richtige Adresse schicken. Was man sich auch vorstellen kann – das hatte ich ja vorhin auch schon mal gesagt – diese sehr großen Datenmengen. Wir werden am Ende ungefähr 23 Millionen Eigentümerinnen und Eigentümer anschreiben, also 23 Millionen Briefe verschicken.
Wir haben erstmal deutlich mehr Daten von den Verwaltungsdatenquellen eingesammelt, um diese Aktualisierungen hinzubekommen. So haben wir jedes Jahr Grundsteuerdaten angefordert, um die miteinander zu aktualisieren. Das heißt, wir mussten sehr große Datenmengen in unseren IT-Verfahren verarbeiten und irgendwie so programmieren, dass wir diese Aktualisierungen hinbekommen. Die Statistischen Landesämter haben jetzt tatsächlich mehrere Jahre auch auf diese Qualitätssicherung verwendet. Es gab letztes Jahr sogar noch eine kleine bis mittelgroße Vorbefragung, um nochmal konkret an die Auskunftspflichtigen heranzutreten und diese zu fragen: Seid ihr es wirklich noch? Gehört dir dieses Haus noch? Wohnst du noch an dieser Adresse?
Wenn ich jetzt die Aufforderung bekomme, als Wohnungsbesitzerin Angaben für die Gebäude- und Wohnungszählung zu machen, welche Fragen muss ich denn dann beantworten?
Das sind eigentlich nur relativ wenige Fragen. Sie bekommen Fragen zu Ihrem Gebäude, wie Baujahr, Heizungsart oder wie viele Wohnungen sind in dem Gebäude? Bei einem Einfamilienhaus ist das zum Beispiel eine Wohnung. Neu ist hier auch eine Frage zur Energieart. Das heißt, was wird denn in der Heizung verbrannt? Das ist vor dem Hintergrund energieeffizientes Sanieren wichtig oder auch, wenn man darüber nachdenkt, wieviel Gas wir denn in Zukunft noch kaufen wollen – das sind natürlich aktuelle Fragestellungen. Für Ihre Wohnung haben sie so Fragen wie zur Quadratmeterzahl, zur Raumanzahl, aber auch die Miete. Das ist auch ganz neu und ein wichtiges Merkmal, dass wir dieses Mal die Nettokaltmiete dabeihaben.
Was wir auch noch erheben sind bei einem Leerstand die Dauer und der Grund des Leerstandes. Das ist ebenfalls ein neues Merkmal. So kann man in den Leerstandsregionen gucken: Woran liegt es dann? Sind das wirklich Sanierungsfälle, die jahrelang auf eine Baumaßnahme warten? Oder ist das eher der übliche Leerstand, der bei einem normalen Umzug zustande kommt?
Gerade wenn man jetzt die Diskussion in Richtung Wohnungsmangel in Großstädten oder auch Leerständen in kleineren Gemeinden in Deutschland verfolgt – wo sehen Sie denn den Nutzen für die Befragten auf der einen Seite, aber auch auf der anderen Seite für die Gesellschaft insgesamt und auch die Politik?
Die GWZ zeigt ja erstmal auf, wie der Wohnraum in Deutschland auf die Länder und auf die Kommunen verteilt ist. Wir können das übrigens auch kleinräumiger als auf kommunaler Ebene auswerten. Wir haben auch so etwas wie Kilometergitterzellen. Das kennt man so auch von Grafiken, in denen auf Karten so Quadrate abgebildet sind. Wir können wirklich eine kleinräumige Auswertung machen, weil die GWZ eine Vollerhebung ist. Das ist ja keine Stichprobe, so dass man eben gucken kann: Wo sind Regionen mit viel Leerstand? Wo sind Regionen mit sehr hohen Mieten oder sehr niedrigen Mieten? Wo sind viele Einfamilienhäuser, wo sind Mehrfamilienhäuser? Gerade vor dem Gedanken: Wo ist Nachverdichtung möglich? Aber natürlich kann man auch sehen, wo Häuser mit den älteren Baujahren stehen, die vielleicht eine Ölheizung haben. Und das vor dem Hintergrund: Was haben wir demnächst vielleicht für einen Sanierungsbedarf? Es gab Anfang des Jahres ja die Diskussion mit den KFW-Krediten. Da muss man natürlich für die nächsten Jahren planen können: Was kommt an energetischem Sanierungsaufwand auch letztendlich auf diejenigen zu, die diese Vorhaben fördern wollen.
Das heißt, diese Daten, die Sie jetzt mit der Gebäude- und Wohnungszählung erheben, die liegen auch überhaupt nicht vor? Also ist das jetzt eine Erhebung, die Daten sammelt, die es eigentlich noch nicht gibt?
Richtig. Weil es einfach – und das ist besondere Vorteil der GWZ – keine Stichprobe ist, sondern eine flächendeckende Vollerhebung ist. Und die gibt es in Deutschland wirklich nur alle zehn Jahre im Rahmen der Gebäude- und Wohnungszählung.
Wenn ich die Angaben jetzt machen muss, wie kann ich das denn tun? Ich bekomme ja Post und werde zur Auskunft aufgefordert. Wie geht es dann weiter?
Diejenigen, die 2011 schon dabei waren, erinnern sich vielleicht noch, dass sie einen dicken DIN-A4-Brief bekommen haben. Da war so ein Heft drin, ein richtig dickes Heft, mit einem Fragebogen. Das wird dieses Mal anders sein. Dieses Mal verfolgen wir die Strategie Online First. Das heißt, letztendlich bekommt jeder nur einen Brief mit einem Blatt Papier und auf dem steht eine Zugangskennung für unseren Onlinefragebogen. Da können Sie sich dann anmelden und wenn Sie sich angemeldet haben, sehen Sie dort schon die Anschrift, für die sie melden müssen – also zum Beispiel wo Ihre Eigentumswohnung ist. Die ist da schon eingeblendet. Und dann beantworten Sie in etwa zehn Fragen. Je nachdem, was auf ihre Wohnung zutrifft, sind es vielleicht mal eine mehr oder eine weniger. Für ein einzelnes Einfamilienhaus oder eine einzelne Eigentumswohnung sind Sie da in fünf, sechs Minuten durch.
Das gilt jetzt aber nicht für Wohnungsunternehmen?
Nein. Wohnungsunternehmen haben generell ein spezielles Verfahren, wie sie uns Daten melden. Die Statistischen Landesämter sind schon seit Jahren mit den Wohnungsunternehmen im Gespräch und in Kontakt, um die Datenliefermodalitäten abzustimmen. Das geht also komplett anders. Wir haben in der amtlichen Statistik ein elektronisches, Meldeverfahren für Unternehmen. Das heißt eSTATISTIK.core. Mit diesem Verfahren können Unternehmen, in diesem Fall die Wohnungsunternehmen, große Mengen von Daten in einer Datei praktisch hochladen, mit den Erhebungsdaten, und die werden dann in unserem Verfahren weiterverarbeitet.
Das sind jetzt schon doch auch einige Fragen, die man beantworten muss. Was ist denn, wenn ich zu bestimmten Fragen keine Angaben machen kann, weil mir dazu keine Informationen vorliegen? Sowohl für die Privatpersonen, die Angaben machen, als auch für die Wohnungsunternehmen. as sind jetzt schon doch auch einige Fragen, die man beantworten muss. Was ist denn, wenn ich zu bestimmten Fragen keine Angaben machen kann, weil mir dazu keine Informationen vorliegen? Sowohl für die Privatpersonen, die Angaben machen, als auch für die Wohnungsunternehmen.
Auskunftspflicht heißt immer vollständig und wahrheitsgemäß. Was sie nicht wissen, können Sie aber natürlich nicht angeben. Bei Einzeleigentümern, also Privatpersonen, die jetzt zum Beispiel ein Einfamilienhaus haben, ist es eigentlich unmöglich, dass sie eine der Fragen nicht beantworten können. Die Fragen sind so einfach, das wissen Sie alles, was da gefragt wird.
Bei einem Wohnungsunternehmen kann das schon mal passieren, dass die vielleicht die Namen der Personen, die in der Wohnung wohnen, nicht wissen. Die fragen wir als sogenannte Hilfsmerkmale auch ab. Da kann es halt passieren, dass ein Wohnungsunternehmen vielleicht nur mal einen Namen der Person hat, mit dem sie den Mietvertrag geschlossen hat. Ob die Person da jetzt wohnt, wissen sie aber vielleicht gar nicht. Generell ist das so bei Unternehmenserhebungen so, dass wir die Unternehmen nicht zwingen können Angaben, die diese Unternehmen nicht haben, zu beschaffen.
Und jetzt wohl Privatpersonen als auch Wohnungsunternehmen mit dem Fragebogen beispielsweise nicht zurechtkommen oder irgendeine andere Art von Unterstützung brauchen –gibt es Möglichkeiten, diese zu bekommen?
Wir haben erstmal eine sehr informative Zensus-Website, auf der auch Fragen und Antworten stehen, zu allen Erhebungsteilen im Zensus, wo man sich informieren kann. Wir haben dort auch unsere Musterfragebogen hinterlegt. Das heißt, man kann sich vorher den Fragebogen dort angucken und die Fragen schon mal durchgehen und üben, wie man den ausfüllen möchte. Und wenn man am Ende gar nicht weiter weiß, gibt es auch die Möglichkeit, sich an die Statistischen Landesämter zu wenden. Von denen ist man ja angeschrieben worden, der Absender ist das Statistische Landesamt. Die meisten dieser Landesämter haben auch Hotlines, an die man sich wenden kann.
Der Stichtag für den Zensus 2022 ist der 15. Mai. Geht es dann auch los mit der Gebäude- und Wohnungszählung?
Ja. Es kann sein, dass ein Teil der Auskunftspflichtigen der GWZ auch schon in der Woche vorher Post bekommt. Das ist einfach der großen Menge an Briefen geschuldet, die da verschickt werden, dass die Landesämter schon relativ früh anfangen mit dem Postversand, damit sie diese 23 Millionen Briefe bis zum Stichtag alle ausgeliefert kriegen. Deshalb kann es sein, dass man schon ein paar Tage vorher den Brief bekommt.
Frau Timm, vielen Dank für die Einblicke in Ihre Arbeit. Wir hoffen, dass wir Ihnen liebe, Zuhörerinnen und Zuhörer noch ein paar Fragen zu Gebäude- und Wohnungszählung beantworten konnten. Wir haben es ja schon gesagt: Auf der Zensus-Website, die erreichbar ist unter www.zensus 2022.de, stehen Ihnen allgemeine Informationen zum Zensus, aber natürlich auch zur Gebäude- und Wohnungszählung zum Durchlesen zur Verfügung. Außerdem sind wir natürlich auch über das Kontaktformular, das ebenfalls auf der Website verlinkt ist, für Fragen erreichbar. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal!