Mediathek Der Podcast zum Zensus 2022
Folge 5
Hallo und herzlich willkommen zurück zum Podcast zum Zensus 2022. Nach dem Ende der Befragungen widmen wir uns in der 5. Folge einem weiteren wichtigen Thema und zwar dem Thema Datenschutz.
Hierfür begrüßen wir heute die Datenschutzbeauftragte im Statistischen Bundesamt, Dr. Angela Kolbe. Mit ihr wollen wir in dieser Folge zunächst darüber sprechen, welche Aufgaben sie als behördliche Datenschutzbeauftragte beim Zensus übernimmt. Aber es geht auch ganz konkret darum, wie die Angaben, die Sie als Bürgerinnen und Bürger für den Zensus gemacht haben, geschützt werden und auch, welche historischen Entwicklungen für die Datenschutzbestimmungen verantwortlich sind, die wir noch heute beim Zensus haben.
Hallo und herzlich willkommen, Frau Kolbe. Ihre offizielle Bezeichnung lautet ja „behördliche Datenschutzbeauftragte“. Was kann man darunter denn verstehen?
Die Institution Datenschutzbeauftragte oder Datenschutzbeauftragter hat schon eine gewisse Tradition in der Bundesrepublik. Die gibt es schon seit 1977. Sobald in einer Behörde, wie hier dem Statistischen Bundesamt, personenbezogene Daten verarbeitet werden, muss auch ein Datenschutzbeauftragter oder eine Datenschutzbeauftragte benannt werden. Das steht so im Bundesdatenschutzgesetz und auch in der Datenschutzgrundverordnung (DSG-VO). Mein Team und ich unterstützen die Kolleginnen und Kollegen in den Fachabteilungen bei der Anwendung und der Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben. Und außerdem bin ich sowohl intern für die Beschäftigten des Statistischen Bundesamts als auch extern für Bürgerinnen und Bürger oder Auskunftgebende die Ansprechpartnerin, wenn es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht, die durch das Statistische Bundesamt erfolgt. Das heißt, ich helfe bei Fragen oder auch bei Beschwerden oder bei der Wahrnehmung der Rechte, die die DSG-VO gewährt.
Welche Rolle spielt ihre Funktion genau beim Zensus?
Beim Zensus werden ja in sehr großem Umfang personenbezogene Daten verarbeitet. Das heißt, auch hier schaue ich genau hin – oder habe genau hingeschaut – auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben. Wir haben also auch hier unsere Kolleginnen und Kollegen im Fachbereich dabei unterstützt, die passenden Maßnahmen auszuwählen, um technisch und organisatorisch die Sicherheit der personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Und zwar durch uns und auch durch unsere eingesetzten Dienstleister. Und auch hier bin ich Ansprechpartnerin für Bürgerinnen und Bürger, wenn sie zum Beispiel ihre Rechte nach der DSG-VO wahrnehmen wollen.
Sie haben die DSGVO, also die Datenschutzgrundverordnung, jetzt schon zweimal angesprochen. Was genau sind das denn für Rechte, die man hat?
Zunächst gibt es die DSGV-O seit 2018. Da ist sie in der ganzen Europäischen Union in Kraft getreten. Damit wurde erstmals einheitlich für die ganze EU das Datenschutzrecht geregelt und wie Behörden und Unternehmen mit personenbezogenen Daten umgehen dürfen. Bei den Erhebungen zum Zensus wurden alle Befragten umfassend mit einer sogenannten Unterrichtung informiert. Die ist auch durch das Bundesstatistikgesetz vorgesehen und informiert darüber, zu welchem Zweck die Daten erhoben werden, zu welchem Umfang und auch über die Rechte, die den Befragten zustehen. Zu diesen Rechten gehören grundsätzlich das Auskunftsrecht, das Berichtigungsrecht, das Recht auf Löschung und Widerspruch sowie auf Einschränkung der Verarbeitung der betroffenen personenbezogenen Daten. Und wenn es da Fragen oder Beschwerden gibt, ist neben den Datenschutzbeauftragten der Statistischen Landesämter auch mein Kontakt genannt, sodass ich nach außen sozusagen ganz offiziell als Ansprechpartnerin für alle datenschutzrechtlichen Fragen zur Verfügung stehe – und zwar bei allen Datenverarbeitungen, die das Statistische Bundesamt durchführt.
Wenn wir jetzt noch mal genauer auf den Zensus schauen: Was für Vorschriften zum Datenschutz greifen da?
Beim Zensus ist der Schutz der Daten umfassend geregelt, zunächst in den Zensus-Gesetzen und im Bundesstatistikgesetz. Dieses enthält zum Beispiel das Statistikgeheimnis. Das verbietet, dass Angaben, die zu einer Bundesstatistik gemacht werden, veröffentlicht werden oder anderen zugänglich gemacht werden, wenn sie noch Rückschlüsse auf den Betroffenen zulassen würden. Außerdem besagt die DSG-VO, dass Daten, die für den Zensus erhoben wurden, nicht nachträglich durch ein Gesetz für nicht-statistische Zwecke verwendbar gemacht werden dürfen. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist das sogenannte Rückspielverbot. Dann gibt es natürlich auch einen technischen Schutz. Im Zensus hatten wir die Situation, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Angaben online über die Zensus-Website machen konnten. Das haben auch sehr viele genutzt: Allein für die Gebäude- und Wohnungszählung waren das mehr als 80 Prozent der Befragten. Und bevor die Befragten da ihre Angaben erteilt haben, wurden sie natürlich umfassend darüber informiert, wie ihre Daten in dem Online-Fragebogen vor unbefugten Zugriffen und ähnlichem gesichert sind. So haben wir den Online-Fragebogen mit einem Sicherheitszertifikat des Bundes Ende-zu-Ende verschlüsselt. Außerdem werden die Daten ausschließlich auf Rechenzentren des Bundes in der Bundesrepublik verarbeitet.
Thema Rückspielverbot: Das geht auf das sogenannte Volkszählungsurteil von 1983 zurück. Können Sie uns denn ein bisschen näher erläutern, was das Urteil von vor knapp vier Jahrzehnten mit dem Zensus heute noch zu tun hat?
Das Volkszählungsurteil ist ein ganz wichtiges Urteil zum einen für den Datenschutz in Deutschland, aber auch gerade für das Statistische Bundesamt. Für das Jahr 1983 – also ja, vor genau 40 Jahren –war eine Volkszählung geplant. Die war, anders als der Zensus jetzt, noch als eine sogenannte Vollerhebung geplant. Das heißt, es sollten alle Bürgerinnen und Bürger befragt werden. Und auch nicht, wie wir eben gerade darüber gesprochen haben, online. Das gab es damals natürlich noch nicht, sondern mit einer Tür-zu-Tür Befragung. Das hat damals für sehr viel Kritik in der Bevölkerung gesorgt. Man befürchtete hier den „gläsernen Bürger“ und Kontrolle durch den Staat. Deswegen wurden mehrere Verfassungsbeschwerden erhoben. Zu diesen Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht dann entschieden. Es hat zum einen die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Teil für anpassungsbedürftig gehalten und zum anderen hat das dazu geführt, dass die Volkszählung erst mit Verspätung, also erst 1987, durchgeführt werden konnte. Damit war dieses Urteil ein Meilenstein in der Geschichte des Datenschutzes. Denn das Gericht hat damit ein neues Grundrecht geschaffen: das sogenannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das gab es vorher in dieser Form nicht. Das wurde erst dadurch konstituiert. Man findet es auch so nicht im Text des Grundgesetzes, sondern die Richterinnen und Richter haben dies aus den ersten beiden Artikeln des Grundgesetzes, Artikel 1 dem Grundsatz der Menschenwürde, und Artikel 2, dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, erst geschaffen. In seinem Urteil hat es das Gericht so ausgedrückt, ich zitiere hier mal: „Das Grundrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Einschränkungen dieses Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig.“ Eine Volkszählung – oder ein Zensus – ist also nur mit dem Grundgesetz vereinbar, solange das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausreichend gewürdigt wird.
Das klingt jetzt für mich als Laiin jetzt sehr abstrakt. Was bedeutet das denn jetzt genau für den Zensus allgemein, aber auch für den Zensus 2022?
Das Volkszählungsurteil hat sich auf alle Volkszählungen oder Zensus-Runden in der Bundesrepublik ausgewirkt. Ein wichtiger Punkt oder eine wichtige Auswirkung ist das eben schon genannte Rückspielverbot. Was muss man sich darunter vorstellen? Wir haben beim Zensus die Situation, dass die Ermittlung der Bevölkerungszahlen in erster Linie durch die Melderegisterdaten der Meldebehörden erfolgt. Zum einen haben wir kein zentrales Register, zum anderen sind die Register nicht immer ganz aktuell oder ganz korrekt. Deswegen wurde ergänzend eine Befragung von etwa 10 Prozent der Haushalte durchgeführt, um etwaige Ungenauigkeiten statistisch zu korrigieren. Das heißt, es kann also sein, dass man während des Zensus umzieht und sich noch nicht umgemeldet hat. Dann steht im Melderegister ein Datum und dann in der persönlichen Befragung nenne ich ein anderes Datum. Das passt dann nicht überein. Diese Angaben werden also in der Statistik korrigiert, werden aber nicht in dieser Form an die Melderegister zurückgegeben, damit diese dort die Daten berichtigen können. Das passiert nicht. Alle Daten, die die Statistischen Ämter, sowohl die der Länder als auch das Bundesamt, statistisch erheben, bleiben immer bei uns und gehen niemals – das ist nicht nur beim Zensus so, sondern auch in den anderen Statistiken – zurück an die Verwaltung. Das heißt, alles fließt nur zur Statistik hin und nichts zurück. Es ist also sozusagen eine Einbahnstraße. Und das führt dazu, dass niemand befürchten muss, dass er aufgrund der Angaben, die er zu einer Statistik macht oder vielleicht auch machen muss – beim Zensus haben wir ja auch eine Auskunftspflicht – nachteilige Folgen in anderen Bereichen befürchten muss, also zum Beispiel bei Steuerpflichten. Das ist aus unserer Sicht sehr wichtig für das Vertrauen der Auskunftgebenden in die Bundesstatistik.
Für den Zensus wurden ja auch persönliche Daten gesammelt, also sowas wie Name, Adresse, auf wieviel Quadratmetern ich wohne oder wie lange mein Haus schon leer steht. Woher weiß ich denn jetzt als Befragte, was mit den Angaben, die ich für den Zensus gemacht habe, passiert?
Über die Befragung und alles, was damit zusammenhängt, wurden die Befragten vorher umfassend informiert. Das heißt über den Zweck der Erhebung, welche Daten gesammelt werden und für wie lange sie gespeichert werden und auf welcher Rechtsgrundlage das erfolgt. Und natürlich auch zur Geheimhaltung und zum Datenschutz werden Informationen gegeben.
Geheimhaltung? Was genau bedeutet das?
Das Statistikgeheimnis oder die statistische Geheimhaltung verbietet die Weitergabe oder die Veröffentlichung von Angaben, die zu einer Bundesstatistik gemacht wurden, wenn noch ein Rückschluss auf die betroffene Person möglich ist. Das heißt, wenn die Daten noch nicht anonymisiert sind. Das Statistikrecht ist als spezielles Datenschutzrecht für die Bundesstatistik anzusehen. Darüber hinaus gelten noch die allgemeinen Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes und der DSG-VO. Danach sind dem Schutzbedarf der Daten angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen. Bei den Zensus-Daten haben wir einen sehr hohen Schutzbedarf. Das heißt, die getroffenen Maßnahmen sind da sehr streng. Zum Beispiel müssen alle Daten, die durch die Statistischen Landesämter und das Bundesamt gesammelt wurden, in speziell abgeschotteten Bereichen in einer extra dafür eingerichteten besonderen Schutzzone gespeichert werden.
Die Daten, die da gespeichert sind: wie lange werden sie aufbewahrt?
Grundsätzlich schreiben die Zensus-Gesetze vor, dass die Daten, mit denen man eine Person direkt identifizieren kann – also Name oder Adresse, das nennen wir Hilfsmerkmale in der Statistik – die dürfen lediglich zur Organisation der Erhebung und zur Aufbereitung der Daten erhoben werden. Zudem müssen diese Daten so früh wie möglich von den anderen Daten, von den sogenannten Erhebungsdaten, getrennt werden. Das heißt, nach Abschluss der Überprüfung von Erhebungs- und Hilfsmerkmalen auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit werden sie getrennt und die Hilfsmerkmale werden gelöscht. Die Angaben zu den Erhebungsmerkmalen werden solange verarbeitet und gespeichert, wie dies für die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen notwendig ist.
Frau Kolbe, vielen Dank für dieses sehr interessante Gespräch und die Einblicke in ihre Arbeit und die Informationen, die Sie uns zum Datenschutz beim Zensus gegeben haben. Und Ihnen liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, danken wir fürs Einschalten. Bis zum nächsten Mal.