Mediathek Der Podcast zum Zensus 2022

Folge 6

Hallo und herzlich willkommen zurück zum Podcast und Zensus 2022! In diesem Jahr wird es spannend, denn im Sommer werden wir die Ergebnisse des Zensus 2022 veröffentlichen. Im Podcast soll es in der 6. Folge um das Thema Einwanderung gehen. Hierfür haben wir heute Oliver Kroppach und Stefan Rose zu Gast, die das Konzept entwickelt haben, das festlegt, wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus statistischer Sicht für den Zensus gezählt werden. Mit Ihnen wollen wir darüber sprechen, wie diese Zählung genau aussieht und was sich im Vergleich zum Zensus 2011 verändert hat. Herzlich willkommen, Herr Kroppach, herzlich willkommen, Herr Rose.

Hallo.

Was genau verstehen Sie für den Zensus 2022 denn unter dem Einwanderungskonzept?

Oliver Kroppach: Also erst einmal können wir darunter festhalten: Was bedeutet denn überhaupt eigentlich Einwanderung? Unter Einwanderung verstehen wir die Überschreitung von Grenzen, ob das jetzt staatlich, rechtlich, kulturell oder sozial ist. Für den Zensus 2022 haben wir festgelegt, dass Personen, die entweder selbst oder deren beide Elternteile nicht in Deutschland geboren wurden, von uns als Eingewanderte beziehungsweise als Menschen mit Einwanderungsgeschichte angesehen werden.

Woher kommt denn diese Definition? Ist diese wissenschaftlich festgelegt worden?

Oliver Kroppach: Genau. Diese Definition kommt von der Fachkommission Integrationsfähigkeit. Die wurde vom Bundeskabinett eingesetzt, um Klarheit zu schaffen und Expertenmeinungen einzuholen. In der Kommission sitzen Experten und Expertinnen aus der Wissenschaft und Praxis. Da kommt der Vorschlag her, dass der Begriff "Migrationshintergrund“ ersetzt wird durch den Begriff "Eingewanderte und ihre direkten Nachkommen". Der Mikrozensus hat das Konzept noch mal ein wenig erweitert mit dem Begriff "Einwanderungsgeschichte".

Und können Sie erklären, auf was das Konzept Wert legt?

Oliver Kroppach: Das Konzept legt vor allem Wert auf die Lebensgeschichte einer Person. Es geht darum, dass eine Person gewandert ist, der Fokus liegt als nicht mehr wie vorher auf der der Staatsangehörigkeit. Daraus ergibt sich dann, dass nur noch selbst Eingewanderte und ihre Nachfahren gezählt werden.

Und wie kann man sich das jetzt technisch vorstellen? Wie werden Menschen mit Einwanderungserfahrung für den Zensus erfasst? Über die Melderegister?

Stefan Rose: Zum Großteil kommen die Daten aus dem Melderegister. Allerdings werden sie teilweise durch die direkte Befragung ergänzt oder kommen aus statistisch-methodischen Verfahren.

Können Sie statistisch-methodischen Verfahren noch ein bisschen näher erläutern?

Stefan Rose: Im Zuge des Zensus werden die Daten in verschiedenen Schritten aufbereitet. Der für uns relevante Schritt ist die Haushaltegenerierung. Da werden, einfach erklärt, noch einmal Informationen darüber gewonnen, welche Personen in welchen Konstellationen in Haushalten zusammenleben. Da es uns um die Erfassung der Nachkommen geht, können wir über die Haushaltegenerierung noch mehr Informationen über die Eltern-Kind-Beziehung erhalten können. Mit diesen Informationen können wir die stellenweisen Lücken in den Melderegistern füllen.

Wo liegen da die Herausforderungen?

Stefan Rose: Es gibt eine relativ große Anzahl von Konzepten und Definitionen zum Themenfeld Migration und Einwanderung. Wir benötigen eine Definition, die aktuell und allgemeingültig ist. Gleichzeitig muss sie aber auch mit den Daten, die uns zur Verfügung steht, umsetzbar sein und sie muss zudem zu den in unserem Amt angewendeten Konzepten passen. Rückblickend betrachtet ist es so, dass es für uns ein Glücksfall war, dass die Fachkommission Integrationsfähigkeit dieses Konzept entwickelt hat und vor allem, dass der Mikrozensus das auch bereits in unserem Amt umsetzt, sodass wir hiermit ein Konzept haben, dass all unsere Anforderungen erfüllt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die besondere Herausforderung war, so viele verschiedene Aspekte in einem einzigen Konzept zu vereinen oder?

Stefan Rose: Ganz genau.

Wenn wir jetzt mal ein bisschen mehr in ihre Arbeit reingucken, wie können wir uns denn ihre tägliche Arbeit vorstellen?

Oliver Kroppach: Das Hauptaufgabengebiet in so einem Großprojekt wie dem Zensus verschiebt sich, glaube ich, durchgehend. Es ist so, dass ständig verschiedene Arbeiten anstehen und in diesen Projektphasen unterschiedliche Aufgaben betreut werden. Da kann man die Einwanderungsgeschichte eher so als ein Nebenprojekt einordnen. Und da verschiebt sich auch innerhalb des Projekts ständig die Arbeit daran. Die Anfangsphase war geprägt durch das wissenschaftliche Konzept sowie die Aufarbeitung des Forschungsstands. Später kam es dann zu der Umsetzung in die Theorie, da gab es ganz viele Absprachen mit Kolleginnen und Kollegen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dann kommt zuletzt der Schritt der tatsächlichen Übersetzung unserer Konzepte in den Daten und weiterer Anpassungen. Letztendlich gibt es keinen typischen Tag. Die Abwechslung macht es glaube ich sehr.

Wenn sie jetzt beide noch mal zurückblicken: Wie hat sich das Einwanderungskonzept denn über die vergangenen Volkszählungen hinweg verändert, also zum Beispiel im Vergleich zum Zensus 2011?

Stefan Rose: In Zensus 2011 haben wir von Personen mit Migrationshintergrund gesprochen. Das sind Personen, die entweder nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen oder nach Deutschland eingewandert sind sowie Personen, die einen Elternteil besitzen, das nach Deutschland eingewandert ist. Das ist eine komplexere Definition, als wir sie jetzt haben. Im Zensus 2011 wurden deshalb mehr Personen erfasst, also neben den Personen mit Einwanderungsgeschichte, die wir auch jetzt typisieren, wurden noch Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft erfasst sowie der Nachkommen bis in die dritte Generation.

Und warum war eine Überarbeitung notwendig?

Stefan Rose: Eine Überarbeitung ist notwendig, weil es nun ein aktuelleres Konzept ist. Und weil wir damit dazu beitragen, dass es innerhalb der amtlichen Statistik eine Harmonisierung der Konzepte gibt. Wie gesagt passen wir uns dem Mikrozensus an. Und [der Begriff der Einwanderungsgeschichte] ist auch aus unserer Sicht und aus Sicht der Fachkommission Integration ein Begriff, der weniger stigmatisierend ist. Es ist ein Begriff, der wirklich auf die Biographie der Menschen abzielt und dadurch halt die Einwanderungserfahrung von der Staatsangehörigkeit entkoppelt.

Warum ist es denn überhaupt wichtig, wie wir beim Zensus Einwanderung definieren? Welche Auswirkungen hat das konkret auf die Zensus-Ergebnisse?

Stefan Rose: Das Migrationshintergrundkonzept ist etwas umfassender, das heißt im Zensus 2011 wurden mehr Personen typisiert. Jetzt beziehen wir uns nur auf die persönliche Einwanderungserfahrung. Das sind etwas weniger Personen. Hätten wir diese Definition allerdings nicht gefunden, dann könnten wir kein Auswertungsmerkmal bereitstellen. Da wir von einem breiten öffentlichen Interesse ausgehen, ist es uns allerdings wichtig, dass dieses Merkmal später auch abrufbar sein wird.

Daran anknüpfend zum Schluss noch mal ein kleiner Ausblick: Wo werden denn die Daten, die zur Einwanderung erhoben werden, überhaupt gebraucht oder verwendet?

Oliver Kroppach: Wir gehen davon aus, dass die Zensus-Daten zum Thema Einwanderungsgeschichte in vielen verschiedenen Bereichen benötigt werden. Dazu zählt unter anderem die Forschung, ob es jetzt nur universitär ist oder nicht. Da ist es vor allem interessant, dass wir uns jetzt dem internationalen Forschungsstand angenähert haben. Im internationalen Forschungsstand gilt vor allem der Begriff "Foreign Born". Wir reden dabei von im Ausland geborene Personen. Und wir gleichen uns jetzt diesem internationalen Forschungsstand an. Gleichzeitig können wir durch die Einwanderungsgeschichte die Bevölkerung sehr gut darüber informieren, wie Deutschland tickt - also wie viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben wir denn in Deutschland? - und da eben einen sehr aktuellen Stand ausgeben. Auf Grundlage dieser Zahlen, die wir ausgeben, können natürlich auch wieder politische Entscheidungen getroffen werden.

Herr Rose, Herr Kroppach, vielen Dank, dass sie uns das Einwanderungskonzept des Zensus 2022 nähergebracht haben. Und Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, danken wir fürs dabei sein. Bis zum nächsten Mal!

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